Biografie von Gustav Mahler: Stürmischer Reformator mit Anspruch

Gustav Mahler war Komponist, Dirigent und Operndirektor. Er machte die Wiener Oper zur besten Musikbühne, bevor er die Stadt enttäuscht verließ.

Gustav Mahler ging die Kunst über alles. Als Direktor machte er die Wiener Hofoper zum besten Musiktheater der Welt. Bis er Abschied nehmen musste.

Die Natur, der See und der Wald dienten ihm als Heimat und Refugium. Dort war er, von Blumen und Vögeln umgeben, glücklich, einsam, in seinem Element, allein mit sich und der Musik. Gustav Mahler war aber nicht nur leidenschaftlicher Komponist, sondern auch Dirigent und Direktor der Wiener Hof-Oper. In dieser Rolle fand sein höchster künstlerischer Anspruch in Reformen Niederschlag, die Orchester und Publikum irritierten. Kunst sollte nicht mehr der Zerstreuung dienen, sondern der Konzentration! Am Ende kehrte er Wien den Rücken.

Gustav Mahler wird am 7. Juli 1860 in Kalischt im heutigen Tschechien geboren, als Sohn eines jüdischen Weinbrenners. Er muss den Verlust mehrerer Geschwister erleben, von 14 Kindern sterben sechs früh. Sein erstes Instrument ist die Ziehharmonika. Doch schon bald findet sich ein Klavier auf dem Dachboden, das ihn fasziniert. Sein Talent ist offensichtlich. Mit 10 Jahren gibt er sein erstes Klavierkonzert. Mit 15 geht er auf Empfehlung der Familie nach Wien ans Konservatorium und studierte Komposition. 

Wippender Gang, brauner Vollbart

Ein Bekannter im Freundeskreis, der Künstler Friedrich Eckstein, beschrieb den jungen Mann: „Schon in der sonderbar wippenden Art seines Ganges machte sich eine ungewöhnliche Reizbarkeit bemerkbar, sein geistig gespanntes, überaus bewegtes und schmales Gesicht war von einem braunen Vollbart umrahmt, sein Sprechen sehr pointiert und von stark österreichischer Klangfarbe. Er trug immer einen Pack Bücher oder Noten unter dem Arm und die Unterhaltung mit ihm ging zumeist stoßweise vor sich.“

Mit 20 Jahren beginnt seine Dirigenten-Karriere. Nach Stationen in der Provinz führt ihn sein Weg nach Prag, Budapest – dort beweist er sich bereits als Operndirektor –  und Hamburg. Komponieren tut er nebenbei. Sein Wunsch aber ist es, Direktor der Wiener Hofoper zu werden. Er setzt nicht nur seine Beziehungen strategisch dafür ein, sondern konvertiert sogar vom Judentum zum Katholizismus. So kann man in Wien leichter etwas werden. Sein Dienstantritt 1897, zunächst als Dirigent, dann als Direktor, fällt mit der Gründung der avantgardistischen Künstlervereinigung Secession zusammen, der Inbetriebnahme des Riesenrads im Prater und der Promotion der ersten Frau an der Universität Wien. 

Das zeigt schon: Hier passierte etwas. Das war nicht mehr die Wiener Klassik. Gustav Mahler reicht schon in die Moderne hinein, was sich auch in seinen Werken widerspiegelt. Er schrieb zehn Symphonien und einige Liederzyklen mit Orchesterbegleitung – Des Knaben Wunderhorn, Kindertotenlieder oder das Lied von der Erde. 

Harmonie und Reform – Komponist und Operndirektor

„Er geht in den Strukturen noch einen deutlichen Schritt weiter. Man merkt die Öffnung für noch mehr Harmonien“, erklärt Elisabeth Albrecht, Leiterin der Musikvermittlung im Haus der Musik. „Das Spannendste an Gustav Mahler ist aber, wie er als Operndirektor kompromisslose Reformen anstieß, die allein der Kunst dienen sollten.“ Auf diese Weise machte er die Wiener Oper zur besten Musiktheaterbühne der Welt. 

Mahler hat keine Lust mehr, sich mit selbstherrlichen Sängern und einem vergnügungssüchtigen Publikum herumschlagen. Mit Starkult und Laissez faire ist jetzt Schluss. Inspiriert von den Bayreuther Festspielen überträgt er den Festspielgedanken auf den Repertoirebetrieb eines Opernhauses, um das Publikum zu erziehen: Zuspätkommende werden erst in der Pause eingelassen, der Zuschauerraum wird verdunkelt und das Orchesterpultlicht gedimmt, um den Fokus auf die Bühne zu lenken. Mit dem Bühnenbildner Alfred Roller sorgt er dafür, dass Bühnenbild und Licht zum symbolhaften Ausdruck des Gehalts jedes Werkes werden. Die Regie wird aufgewertet und purer Schöngesang ohne Bezug abgelehnt. Keine Schlampereien mehr! Alle Mitwirkenden müssen jetzt der Kunst dienen. Der Feuergeist dirigiert selbst, leitet an, peitscht durch, fordert ein. Die Wiener:innen staunen auch nicht schlecht, als Mahler auf einem Fahrrad zur Arbeit fährt.  Er ist ein aufgeschlossener Reisender, schätzt aber die musikalische Tradition. 

Im Sommer spricht der See zu ihm 

Im Sommer fährt Mahler aufs Land, in die Natur. Weil sie ihm Inspirationsquelle ist, lässt er sich an seinen Sommersitzen Komponierhäuschen bauen: 1894 in Steinbach am Attersee, 1900 in Maiernigg am Wörthersee und 1908 in Toblach in Südtirol. Der See spreche zu ihm, meinte Maler: „Wenn ich ihm zuhören kann, dann fließen die Kompositionen förmlich aus meinem Kopf.“ Dieses Gefühl versuchte er in seine Musik zu gießen. In der achten Symphonie wollte er das „Universum zum Tönen und Klingen bringen, nicht nur menschliche Stimmen, sondern auch Planeten und Sonnen kreisen lassen.“ Die Menschen nannten das Werk die „Symphonie der Tausend“, weil 1910 bei der Uraufführung 858 Sänger und 171 Musiker mitwirkten. Den Kompositionsstil des 19. Jahrhunderts gab er nicht auf, sondern reizte ihn bis an seine Grenzen aus. 

Gescheiterte Ehe mit dem It-Girl


Die Ehe mit der um 19 Jahre jüngeren Alma Schindler, einem „It-Girl“ ihrer Zeit, als Femme fatale bekannt, ging schief. Ihr war schon eine Affäre mit Gustav Klimt nachgesagt worden und später eine Liaison mit dem Architekten Walter Gropius. Sie ließen sich scheiden. Eine von zwei Töchter starb. Am Ende war es ein Mix aus Intrigen, Bürokratie, antisemitischen Attacken aber auch Mahlers Gesundheitsprobleme, die 1907 zum Ende seiner Direktion führten.

Es war auch eine künstlerische Enttäuschung spürbar, als Mahler seinen Abschied beschloss. Denn seine Vision, dass jeder einzelne Abend nicht nur höchste, sondern einzigartige Qualität auf allen Ebenen zu erreichen habe, konnte auch er nicht erfüllen. Er ging nach Amerika und arbeitete dort als Orchesterdirigent. 1911 dirigierte er sein letztes Konzert in New York. Er starb am 18. Mai in Wien und wurde auf dem Grinzinger Friedhof bestattet. 

Eckdaten

Lebenszeit: 1860-1911
Erreichtes Alter: 50
Werke: 10 Symphonien, viele Lieder
Eigenschaften: Workaholic, Reformator
Hobbies: Wandern und die Natur
Besonderheit: fuhr mit dem Rad in die Arbeit
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