Joseph Haydn ist der Wegbereiter der Wiener Klassik und prägte das musikalische Schaffen von Mozart und Beethoven.
Am Ende seiner Tage saß er morgens gerne am Klavier, spielte die Hymne, die er für Kaiser Franz II. (I.) geschrieben hatte, und sein Graupapagei pfiff dazu. Joseph Haydn komponierte noch im hohen Alter, aber nicht mehr so viel. Als er 1806 das letzte Quartett an seinen Verlag schickte, legte er eine Visitenkarte bei, auf der stand: „Hin ist alle meine Kraft, alt und schwach bin ich.“ Fast als Entschuldigung, dass das Quartett nur zwei Sätze hatte. Etwas melancholisch, aber immer noch originell und charmant: So kann man sich den alten Joseph Haydn vorstellen, nachdem er den musikalischen Stil erneuert und eine ganze Generation von Komponisten geprägt hatte. Eine beachtliche Karriere, vor allem dafür, dass er in bescheidenen Verhältnissen in Niederösterreich aufwuchs. Sein Lebensweg war zunächst sehr holprig.
Rohrau, Niederösterreich. Haydn wird als zweites von 12 Kindern in eine einfache Familie hineingeboren. Sein Vater, ein Bediensteter des Grafen Harrach, ist Bauer und Marktrichter. Er repariert Kutschen und musiziert nebenbei. Schnell fällt auf: Der Bub singt gut. So schickt ihn die Familie mit 6 Jahren zu Onkel Frank nach Wien. Dort darf er bei der Osterprozession die Pauke spielen. Dort entdeckt ein Freund des Onkels sein Talent und vermittelt ihn in eine gute Schule. Der Onkel bildet ihn musikalisch aus und er wird Chorknabe im Stephansdom. Bis der Stimmbruch Probleme macht, und er nach einem Streich, bei dem er einem Schulkollegen den Perückenzopf abschneidet, aus dem Chor fliegt.
Harte Jahre in Wien – und Anstellung bei Familie Esterházy
Es folgen entbehrungsreiche Jahre, ein bescheidenes Dasein in der Dachkammer des Michaelerhauses. Allerdings wohnen in den vornehmen Stockwerken darunter Leute, von denen er profitiert: der habsburgische Hofdichter und Opernlibrettist Pietro Metastasio, dessen Diener und Schüler er wird, und die Fürstin Esterházy, bei deren Söhnen Haydn bald als Kapellmeister unterkommt – um 30 Jahre zu bleiben. Nun ist er abgesichert und kann musikalisch viel probieren. Nun steht er einem Orchester vor.
Wenn man so will, half der Zufall Haydn ein wenig auf die Sprünge, auch bei der Erfindung des Streichquartetts. Bis dato war nur für drei Personen komponiert worden. Ein Graf bat ihn, doch eine Komposition für vier Personen zu schreiben. Das tat er so clever, für zwei Geigen, eine Bratsche und ein Cello, mit neuer Struktur – bestehend aus Aufbau, Exposition, Durchführung und Reprise – dass alle anderen zu ihm aufsahen und wissen wollten, wie er das hinbekommen hatte. Nun ging es steil bergauf.
Unterricht für Mozart und Beethoven
Haydn ist ein gefragter Mann. Er unterrichtet Beethoven, trifft auch den um 24 Jahre jüngeren Mozart – für ihn ein Talent, das nur alle 100 Jahre vorkommt: „Er ist ein Gott in der Musik!“ Die beiden tauschen sich aus, schätzen sich und musizieren miteinander. Nicht umsonst gibt es die Haydn-Quartette, die Mozart komponierte und seinem Freund und Bekannten widmete.
Wie die anderen fünf großen Komponisten der Wiener Klassik studiert Haydn seine Vorgänger aus der Barockzeit, Johann Sebastian Bach oder Georg Friedrich Händel, doch er beginnt Musik für das Volk zu schreiben. Er öffnet die Musik. Außerdem entsteht in dieser Zeit ein Markt für freischaffende Komponisten, den Haydn gut zu nützen weiß. Mithilfe der neu entstandenen Musikverlage ist es ihm möglich, „auf eigene Rechnung“ zu komponieren und seine Werke an internationale Auftraggeber zu verkaufen. Das geht sich neben seiner „Vollanstellung“ bei den Esterházys aus. Aber nur mit viel Disziplin.
Zwei erfolgreiche Reisen nach London
Als ihn dann Fürst Esterházy nach 30 Jahren entlässt, ist ihm das nicht Unrecht. Endlich frei! 1790 bietet ihm der Komponist und Konzertagent Johann Peter Salomon 5.000 Gulden für eine Konzertreise nach London. In der britischen Hauptstadt wird Haydn hofiert, herzlich empfangen und als Koryphäe herumgereicht wird. Beim Grenzübertritt in Schärding wird er nach seinem Beruf gefragt. Er sagt: „Tonmeister“. Darauf der Zöllner: „Also Hafner“ (=Töpfer/Ofenbauer). Haydns Antwort: „Ja, und der im Wagen hier ist mein Geselle“. Es handelte sich um seinen Sekretär Johann Elssler. Humor hatte der Mann.
Von einer zweiten überaus erfolgreichen London Reise brachte er, nach dem Studium von Händels Oratorien, die Idee mit, selbst ein Oratorium zu schreiben. Haydn war sehr gläubig. Er schrieb sein wohl berühmtestes Werk: „Die Schöpfung.“ Die Erstaufführung 1799 im Burgtheater geriet zum stürmischen Erfolg. „Wir wollen Papa Haydn“, riefen die Leute, als es aus war. Langsam kam der alte Mann auf die Bühne. „Es lebe Papa Haydn! Es lebe die Musik!“ Alle kaiserlichen Majestäten waren anwesend und riefen mit der Menge: „Bravo!“
Ein Paukenschlag fürs Marketing
Auch der Graupapagei, den er aus London mitgebracht hatte, konnte „Papa Haydn“ krächzen – und das wunderschöne Kaiserlied, das Haydn 1797 für Kaiser Franz schrieb, weil er fand, dass auch die Habsburger eine Hymne brauchten. Die Melodie für das Streichquartett soll an die englische Hymne „God save the king“ angelehnt sein, und auch der Ursprungstext Leopold Haschkas ähnelt dem englischen Pendent. Nach dem Ersten Weltkrieg übernahm Deutschland das Lied als Nationalhymne. Die berühmte Symphonie mit dem Paukenschlag schrieb Haydn übrigens nicht, damit das Publikum nicht einschlief. Es war mehr eine Marketingmaßnahme, um sich von der Musik seines immer erfolgreicheren Schülers Ignaz Pleyel abzuheben. Bumm!
Kurz vor seinem Tod ist noch der französische Husarenoffizier Clement Sulemy bei dem alten Meister, um dem gerührten Greis die Arie „Mit Würd und Hoheit angetan“ aus der Schöpfung vorzutragen. Er ist der letzte auswärtige Besucher, den Haydn empfangen hat. Und das unter widrigen Umständen. Wien wird von den Franzosen belagert und bombardiert. Als ein Geschoss in der Nähe des Hauses einschlägt, dass die Wände zittern, ruft Haydn: „Kinder, fürchtet euch nicht, wo Haydn ist, kann euch kein Unglück treffen.“
Joseph Haydn starb am 31. Mai 1809. Er komponierte über 80 Quartette, die seine Virtuosität in der Handhabung von Kontrapunkt, Melodie und Struktur zeigen. Er schuf über 100 Sinfonien, die einen Wendepunkt in der Entwicklung des Genres darstellen. Seine Experimente mit Formen, Harmonien und Instrumentationen eröffneten neue Wege für nachfolgende Komponisten. In seinen Sinfonien vereinte er Eleganz, Dramatik und feine Nuancen.