In dieser Ausstellung über die Violine geht es auch um das Weiterreichen der “Kunst des Violinspiels” und mögliche unbekannte Vernetzungen. Weiteres wird die Entwicklung der Geigen-Schulen ab Corelli und deren mögliche Einflüsse auf die Musik beleuchtet. Diese Spannbreite des Musizierens wird über die Verknüpfungen von Lehrer und Schüler über einen Zeitraum von 250 Jahre und weitere Unterteilungen in nationale Schulen aufgezeigt, um dadurch Einflüsse für unser heutiges Musizieren zu verdeutlichen! Diese Ausstellung möchte allen Generationen in einem inspirierenden Einblick in die Welt dieser Violinvirtuosen und Komponisten vereinen. Die Vermittlung dieser Werte sind auch ein wichtiger Bestandteil der künstlerischen und pädagogischen Ausrichtung der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (Mdw).
Italien
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts dominierte Italien die europäischen Musiknationen. Dies wurde im Geigenspiel namhafter Komponisten und Geiger wie Arcangelo verkörpert Corelli (1653-1713), Antonio Vivaldi (ca. 1675-1741), Francesco Geminiani (1680-1762) und Giuseppe Tartini (1692–1770). Sie haben viel dazu beigetragen die Entwicklung der Gattungen der Sonaten und Konzerte bühnenreif zu machen. Italienische Musiker besetzten viele führende „Musikalische Ämter“ in ganz Europa und waren besonders prominent vertreten in der expandierenden Musikverlagsbranche des Kontinents. Corellis Werke waren bis Anfang des 19. Jahrhunderts die am meisten verlegten Werke der Musikgeschichte und begründeten dadurch Corellis europaweiten Ruhm. Trotz der Dominanz der Italiener entwickelten sich in vielen Ländern Europas natürlich auch neue Traditionen des Geigenspiels.
Frankreich – Das Pariser Conservatoire
Eine besonders zentrale Figur, die die Corelli-Tradition mit dem 19. Jahrhundert verband, war Giovanni Viotti (1753-1824) – „Der einflussreichste Geiger zwischen Tartini und Paganini“. Viotti war der Pionier einer Bogentechnik, bei der der neu erfundene Tourte-Bogen (1785–90) zum Einsatz kam. Tatsächlich war er einer der ersten Geiger, die diesen Bogen verwendeten, der eine Leichtigkeit, Festigkeit und Elastizität aufwies, die den älteren Versionen fehlte. Er wird auch der „Vater des modernen Violinspiels“ genannt.
Viottis Aufenthalt in Paris begründete effektiv die berühmte französische Schule des 19. Jahrhunderts. Die drei bedeutendsten Violinpädagogen, Rodolphe Kreutzer (1766-1831), Pierre Marie François Baillot (1771-1842) und Pierre Rode (1774-1830), wirkten gleichzeitig im Jahr 1795 gegründeten Pariser Conservatoire. Alle drei waren sie Schüler von Viotti und halfen, den neuen Viotti-Stil zu verbreiten. Bis 1845 waren am Pariser Conservatoire ausschließlich Viotti Konzerte vorgeschrieben. Sie bilden die Brücke zwischen den Violinkonzerten Wolfgang Amadeus Mozarts (1775) und Ludwig van Beethovens (1806). Baillot verfasste später eine ausgereiftere Methodik, in der er seine jahrelangen Erfahrungen am Conservatoire einfließen ließ. Sie wurde 1834 unter dem Titel „L’art du violon“ veröffentlicht. Kreutzer und Rode verfassten ihrerseits bekannte Etüden bzw. Capricen. Die ersten nachweisbaren Violinetüden sind von Federigo Fiorillo (1755-1823) in Paris aus dem Jahr 1793 zu finden.
Deutschland
Die Entwicklung in Deutschland erreichte seinen ersten großen Höhepunkt mit der Veröffentlichung von Leopold Mozarts „Versuch einer gründlichen Violinschule“ im Jahr 1756. Der Zweck von Mozarts Violinschule bestand darin, den Schülern im Violinspiel eine gründliche musikalische Ausbildung zu geben, nicht nur blanke Fingerfertigkeit.
Danach dominierte dann Louis Spohr die deutsche Geigenwelt zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Er experimentierte sowohl mit der Besaitung als auch mit der Stimmung; einer seiner bedeutendsten Beiträge ist die Erfindung des Kinnhalters. Vielleicht noch bedeutsamer war die Gründung seiner „Schule“ des Geigenspiels. Spohrs Methode basierte lose auf den Prinzipien der Mannheimer Schule, von seinem Lehrer Eck geerbt, ergänzt durch den Einfluss der Bogentechniken von P. Rode.
Einer der individuellsten und einflussreichsten Vertreter Spohrs Studenten war zweifellos Ferdinand David, vor allem durch seine Beteiligung an der Gründung des Leipziger Konservatoriums. Der bedeutendsten Vertreter der deutschen Violinschule in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wiederum war sicherlich Joseph Joachim.
Unter Joachims Leitung entwickelte sich die Berliner Hochschule immer stärker und brachte viele bedeutende Geiger hervor, darunter Jëno Hubay (1858–1928), Bronisław Huberman (1882–1947) und Maud Powell (1867–1920), um nur einige zu nennen. Joachims Geigenunterrichtsstil wurde durch einen seiner bekanntesten Schüler „Leopold Auer“ weitergegeben – der wiederum als Gründer der „Russischen Schule“ galt!
Russland
Leopold Auer (1895-1930) hielt an vielen Lehren Joachims fest, wie seine Abhandlung „As I Teach It“ bestätigt. Aber es ist seit langem anerkannt, dass die Violinisten Jakob Dont (1815-1888) und Jean-Delphin Alard (1815-1888) einen weiteren großen Einfluss auf ihn hatten. Im Jahr 1868 ersetzte L. Auer den berühmten Henryk Wieniawski als Professor am St. Petersburger Konservatorium, wo er ab 1868 bis 1917 lehrte – unglaubliche 50 Jahre! In dieser Zeit war er maßgeblich an der Etablierung der russischen Violine Schule beteiligt.
Henryk Wieniawski (1835-80), wiederum ein Schüler von Lambert Massart (Pariser Konservatorium), war bei der Gründung der einzige Violinprofessor des Konservatoriums in St Petersburg. Er schuf den Grundstein der St. Petersburger Violinschule, die später von Auer zur sogenannten Russischen Schule weiterentwickelt wurde. Daher gibt es eine Verbindung zwischen der französisch-belgischen Schule, der Wiener Schule und der russischen Schule, wenn es auch nicht immer sofort erkennbar war.
Österreich
Joseph Böhm (1795_1876), ein Schüler von P. Rode, gilt als der Begründer der „Wiener Violinschule“ – und gehörte zu den wichtigsten Violinpädagogen des 19. Jahrhunderts. Sein berühmtester Schüler war J. Joachim. Aber noch zu berücksichtigenden sind der Virtuose W. Ernst, Georg Hellmesberger sen., Joseph Dont, Edmund Singer, Jakob Grün und Ede Reményi. Sein Kollege und Mitbegründer Joseph Mayseder (1789-1863), auch ein vorzüglicher Vertreter des Wiener Violinspiels, repräsentierte sowohl als Komponist wie auch als ausübender Künstler das zierlich elegante Genre dieser einzigartigen Stadt.
Studieren bei diesen Lehrern (Massart und Wieniawski) bedeutete, dass Ysaye Teil der sogenannten französisch-belgischen Violinschule wurde, die aus der Entwicklung des modernen Geigenbogens von François Tourte (1747/1748–1835) und François Nicolas Voirin (1833–1885) hervorgegangen war. Qualitäten dieser École beinhalten Eleganz, einen vollen Ton mit einem Gefühl für einen „langen“ Bogenstrich ohne Rucken, präzise Techniken der linken Hand und das Streichen mit dem ganzen Unterarm, während sowohl das Handgelenk als auch der Oberarm ruhig bleiben (im Gegensatz zur „deutschen Schule“, in der Joachim Joachim das Handgelenk beugt und Leoplod Auer den ganzen Arm benutzt).